19.10.2018

Nach dem Frühstück in unserem Stammlokal gingen wir zu einem Train-Ticket-Office, das wir die Tage zuvor bemerkt hatten. Es ist in China unglaublich wichtig, eine Zugkarte mindestens einen Tag zuvor zu kaufen, da die Züge meist überfüllt sind und am Bahnhof vor der Abfahrt meistens kein Sitzplatz mehr zu bekommen ist. Und 6 Stunden im Zug stehen – nein danke. Für den qualifizierten Erwerb einer Zugkarte ist ein gültiger Reisepass nebst Visum erforderlich, die beide genau kontrolliert werden. Dabei geht es uns Ausländern noch besser als den Einheimischen. Zur Reise von einer Provinz zur nächsten ist nämlich eine Reiseerlaubnis zu beantragen.

Der Kauf der Tickets verlief problemlos. Nach nur 30 Minuten hielten wir schon unsere Bahnausweise in Händen und waren pro Nase für die 1000 km Strecke nach Xi´an um ca. 30 Euro erleichtert. Nun kam Punkt 2 auf die Tagesordnung: Einen Bus finden, der uns zur großen Mauer bringen sollte. Das war schon schwieriger, denn an der beschriebenen Haltestelle fand sich anstelle des Busses eine ca. 80m lange Menschenschlange, die etwa 5 Busse füllen könnte. Jeder Kontaktversuch mit den Einheimischen scheiterte an den üblichen Kommunikationsproblemen und wir mussten mit hängenden Köpfen ins Hotel zurückkehren. Dort orderten wir einen Mietwagen mit Chauffeur, der prompt nach 30 Minuten in seinem nagelneuen VW Passat vorfuhr. Wir verließen Peking in nördlicher Richtung und erreichten nach eineinhalb Stunden einen Parkplatz unterhalb der Mauer. Hier war alles auf Massentourismus ausgelegt. Ich wunderte mich wieso sich bei über 6000 km Mauer, alle Touristen nur an zwei winzigen Abschnitten tummeln müssen. Beim folgenden Ticketkauf wurde mir alles klar: nur so kann man die Touris maximal ausnehmen. Wir brauchten gleich 3 Tickets: eines für den Shuttlebus, eines für die Seilbahn um auf den Berg zur Mauer zu kommen und eines für die Mauer selbst. Wir wählten anstelle der Seilbahn einen Sessellift, bei dem wir für die Talfahrt eine Rutsche nehmen konnten. Der Blick von der Mauer aus war bei Kaiserwetter grandios. Die Mauer schlängelt sich wie ein langer Bandwurm Zick Zack durch die bergige Landschaft. Der Kaiser hatte damals nicht den kürzesten Weg gewählt, sondern den Längsten. Niederschmetternd jedoch ist dabei die Tatsache, dass alle Mühen und die 100.000-de Toten beim Bau der Mauer umsonst waren. Sie hat nie einem kriegerischen Ansturm standhalten müssen. Die Mongolenhorden unter Dschinghis Kahn hatten keine Mühen, sie nutzten die Korruptionsbereitschaft der Chinesen und bestachen einfach die Wachen eines Tors nördlich von Peking und wurden von diesen eingelassen. Bei diesem Feldzug eroberte er gleich das ganze Reich.

Nach einem ausgedehnten Spaziergang auf der Mauer und einem überteuerten Kaffee begaben wir uns zu der Rutsche für die Talfahrt. Leider sind die Chinesen keine geborenen Rennfahrer und so wurde aus einer rasanten Rutschpartie nur eine langsame stop and go – Fahrt. Nach der Rückfahrt zum Hotel gab es in einem nahegelegenen Restaurant noch gutes Dinner mit Peking-Ente und der Abend klang gemütlich aus.